Charlotte Krafft #12 Die Palmen Am Strand Von Acapulco, Sie Nicken// Eine Endlose Geschichte Über Den Tod In Einer Fremden Welt

Eine Gruppe von Menschen sitzt in einer Höhle, macht Alltägliches, guckt nach draußen, verlässt das gemütliche Eigenheim niemals – und als eine kurz die Finger nach draußen streckt, ist die Katastrophe nahe, denn: draußen, da sind nur Zombies. So weit das Szenario einer der elf Geschichten in Charlotte Kraffts Debüt-Erzählband, entstanden im Herbst vergangenen Jahres. Ist die Autorin deshalb eine Seherin? Vielleicht! Vor allem ist sie aber eine literarische Stimme, die das Erzählen, das Fabulieren, das Erfinden, das Entdecken liebt und die mögliche zukünftige Welten mit viel Humor, aber durchaus auch einer gewissen Schwermut erkundet. Selbstverständlich, und dementsprechend ist Krafft natürlich tatsächlich eine, die viel »sieht«, sind ihre Geschichten dabei stets gleichermaßen erfinderisch wie gegenwärtig (so wie jede gute fantastische Literatur), was dieses schmale Buch, das zum mehrfach lesen einlädt, zur idealen Lektüre für diese merkwürdige Gegenwart macht.
Und ja, dieses Buch hat gleich zwei Titel – entliehen zwei der Geschichten, die im Buch abgedruckt sind. Der Grund hierfür ist formaler Natur: Das Buch ist gewissermaßen in zwei Erzählzyklen geteilt, einer beginnt mit der Vorderseite und einer mit der Rückseite des Buches – ob man nun vorne oder hinten anfängt, nun, das
ist jeder/ jedem selbst überlassen. Fantastisches und Spekulatives erwartet Euch jedenfalls auf beiden
Seiten. Einmal rutscht eine der Erzählerinnen auf einer Lache Olivenöl aus, stürzt von dort aus ins
Hafenbecken und landet auf einem Seeigel, ein anderes Mal wird ein Vergewaltiger zur Schneekugel.
Außerdem gibt es Reisen ins Ewige Eis, genauso wie Weissagungen, unverlässliche Erzähler, genauso
wie doppelte Böden und Welterkundungen ebenso wie Selbsterkundungen. Und eben: Humor ebenso
wie Verzweiflung, Forscherdrang wie Depressionen. Aber: selbst, wenn Charlotte Krafft ganz düster wird
und eine Geschichte im Tod eines Kindes münden lässt, so bleibt ihr Buch doch zu jederzeit eine
fantastische Liebeserklärung an das Erzählen.