Escape & Ikarus Leben Auf Null Cali Bag Edition

Escape hat keine Zeit für selbstgerechtes Gerede, unnötige Verzierungen oder entleerten Flex. Dafür ist die Lage zu abgefuckt. Beinahe wäre der Neuberliner vollständig verloren gegangen, in der Trap, in diesem »ekelhaften Spiel«, das sie Leben nennen. Dass Escape harte Jahre hinter sich hat, ließen schon die letzten beiden Platten »Chorgeist« und »Zwischen Mikrofon und Waage« erahnen - am drastischsten wohl aber sein 2020 erschienenes Werk »Leben auf Minus«, das in Zusammenarbeit mit Produzent Ikarus entstand. Gemeinsam mit Ikarus setzt Escape nun wieder dort an, wo er 2020 aufgehört hatte, ergänzt seine mit »Leben auf Minus« begonnene Trilogie um ihren zweiten Teil »Leben auf Null«. Vergleicht man die neue mit der alten Platte, fällt vor allem auf, dass »Leben auf Null« analytischer und vielleicht gerade deshalb handfester anmutet. Dieses Album dokumentiert einen ganzheitlichen Reset, balanciert auf dem dünnen Drahtseil zwischen »Rettung und Verrecken«, liefert Antworten auf die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte. »Leben auf Null« ist ein erbarmungslos selbstreflexives Stück Musik, ist One-Man-Psychotherapie, ist Sündenbekenntnis und Ausbruch aus einer düsteren Welt zugleich. Escape hat ihn selbst gesehen, diesen Sumpf, in dem Pillenjunkies zu Fixern wurden, wo Augen leer waren und die Sonne sich nur selten zeigte. Jahrelang war die Straße sein Meister und er selbst Fahrgast auf dieser Reallife-Geisterbahn ohne Ausfahrt-Schilder, die für viele in der Klapse oder gar im Sarg endet. Escapes Höllenritt führte - Glück im Unglück - nur in die Drogenklinik. Dort und tatsächlich nur dort hat er während eines siebenmonatigen Aufenthalts jeden einzelnen der insgesamt zwölf Songs, die sich nun »Leben auf Null« zusammensetzen, geschrieben und aufgenommen. So plump es klingen mag: manchmal reicht eben ein Mic und ein Scherbenhaufen, um große Kunst zu machen. Trotz der durchaus schwierigen Rahmenbedienungen haben Escape und Ikarus auch ihr irgendwo zwischen Memphis 1993 und Zukunft befindliches, gemeinsames Soundbild auf’s nächste Level gehievt. Über die gesamte Platte hinweg dominiert ein in sich extrem diverser, aber dennoch stringent-dramaturgischer Hell-on-Earth-Sound - mal mehr plätschernd, gespenstisch und entschleunigt, mal maximal hämmernd, stellenweise aber auch überfüllig, antizyklisch und industriell. Escape zeigt auch auf Rap-stilistischer Ebene verschiedene Gesichter, flowt hier laid back, da betont angegriffen und grazil, an wieder anderer Stelle aggressiv, schnell und mit Fokus auf wütenden Schlagsätzen und Punchlines.