Deutscher Hip Hop 737 Artikel
"Hokkla Bokkla" ist das nächste Album in der Pentalogie von Sonne RA und DoZ9.
Obwohl es der zweite Teil ist, sollte man es nicht als bloße Fortsetzung von "Superposition" betrachten.
Während "Superposition" eher ruhig und atmosphärisch ist und das Schicksal eines Mannes auf hoher See darstellt, dampft und zischt "Hokkla Bokkla" voller Wut und Ironie.
Hier wird nichts beweint, sondern mit unnachgiebigem Zorn alles und jeder erbarmungslos verflucht.
Die Verse werden mit der Überzeugung eines Predigers vorgetragen. In Verbindung mit doZ9’s nicht von dieser Welt transzendierenden Beats klingt „Hokkla Bokkla“ wie eine Voodoo-Zeremonie. "Hokkla Bokkla" ist kompromisslos und unverschämt. Und der Geist ist da!
Die Band um Sebastian Dürre aka Porky, Henning Besser aka La Perla sowie Philipp Grütering aka Kryptik Joe hatte während der Pandemie mit der Arbeit an dem neuen Album begonnen und die allgemeine Stimmung und Atmosphäre jener frühen Pandemiephase hat sich ganz automatisch in Texte und Musik der neuen Songs eingeschrieben. Deichkind sind also wieder da – genau zur richtigen Zeit.
Die erste Singleauskopplung aus dem Album, der doppelbödige Song „In Der Natur“, verbindet hintersinnige Jodelkunst mit abstrakter Zivilisationskritik und zeigt: Die Gesellschaftskritik von Deichkind funktioniert so gut, weil sie nicht von der Tribüne kommt und schon gar nicht aus dem Elfenbeinturm. Deichkind meinen immer auch sich selbst, wenn sie über die Zumutungen der Gegenwart spotten – und dabei wie im Vorbeigehen noch die vermeintlich sperrigsten Themen in potenzielle Hits kleiden, die man auf Anhieb mitsingen möchte.
Deichkind werden dabei immer besser, präziser, bissiger. Gut also, dass es endlich wieder losgeht. Mit dem achten Deichkind-Album und einer Tour im Sommer 2023.
Keemo Sabe. Funkvater. Rap ihm seine Väter sind back. Es ist dieses andere Fieber jetzt.
Erneut komplett produziert von den großen KitschKrieg Jungs, wartet das Album mit Features von Gzuz, Marteria, Bonez MC & Raf Camora, Joey Bargeld & Haiyti auf.
Die zehn Songs auf “Insomnia” zeichnen einen Weg, der über Eskalation und die Flucht in die Abgründe der Nacht führt, den genialen Selbstbetrug des frischen Verliebtseins und Momente absoluter Klarheit, wie sie nur entstehen können, wenn davor viel Nebel war. Es spricht für Trettmanns Ausnahmebegabung als Songwriter, dass er darüber ohne jedes Klischee singt, in einfachen, unverstellten Worten, aber nie banal, sondern so, dass man sich darin wiederfindet, egal an welchem Punkt im Leben man gerade steht. “Sänger für Eltern, Underdogs und Gangster” nennt sich Tretti auf einem Song, und mal ehrlich: Wer könnte das sonst von sich behaupten, ohne sich lächerlich zu machen?
Die Musik trägt ihn auf dieser Reise, wie es in der Vita des ewigen Romantikers Trettmann immer der Fall war, egal ob die grad dolce war oder eher bitter schmeckte. Sie hat ihm eine Identität gegeben und ihn gerettet, wenn es eng wurde. Auf diesem Album beginnt sie düster, die Musik, und klart dann auf, Song für Song, mit jedem einzelnen Schritt in ein neues altes Leben. Die klanglichen Eckpfeiler sind dabei dieselben geblieben: der neue Flex aus USA und UK, aus Accra und Montego Bay, aus den Dancehalls in Jamaika und den Tanzhallen in Berlin. Als explizite Referenzen aber treten sie auf “Insomnia” merklich in den Hintergrund und machen Platz für eine universellere, eine noch größere Popsprache. Das ist vielleicht die größte Errungenschaft dieser außergewöhnlichen Kunstordner KitschKrieg und ihrer ungleichen Zusammenarbeit mit dem Impulsmenschen Trettmann: ein Paralleluniversum innerhalb der deutschen Musikwelt geschaffen zu haben, in dem Alter, Herkunft und biografische Details kaum eine Rolle spielen. In dem scheißegal ist, wer gerade wen nachmacht oder liket oder sogar wirklich mag, in dem es nur um die Kunst geht. Um das Gefühl, das sie auslöst, und die Geschichten, die sie spiegelt. “Insomnia” ist in dieser Hinsicht der Höhepunkt der KK-Tretti-Ära, ihr endgültiges Manifest. “Insomnia” ist echt, persönlich und vor allem menschlich. Weil diese Musik wirklich für alle da ist.
Bislang nur digital erhältlich, bekommt das Album endlich auch sein wohlverdientes Vinyl-Release. Slowy-Raps auf 10 Tracks produziert von Niko, mit einem Feature von Tom Hengst.
Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass der Wiesbadener Eloquent zu Gast war beim Qualitäts-Podcast „Kamin-Geflüster mit Morlockk Dilemma“. Man scherzte, philosophierte und im Anschluss an die Sendung verfestigte sich der Kontakt. Das Resultat ist der dritte Teil der Versus-Morlockko Plus-Reihe mit einem Ausnahmekünstler, der umtriebig ist wie kein Zweiter in diesem Spiel. „Scheitern als Kunst“ ist eine 10 Titel starke LP, eine bruchstückhafte Momentaufnahme. Der Versuch, das augenblickliche Gefühl des tiefen Falls in Worte zu fassen und zu konservieren. Ein ehrlicher, vielleicht auch deprimierender Einblick ins Innenleben eines Künstlers, der sich, die Faust in der Tasche geballt, zum Scheitern verdammt fühlt…
Wie bei seinen Vorgänger-releases handelt es sich hier um klassischen, zeitlosen Boom Bap und True School Rap.
Hier treffen penibel ausgesuchte Samples sowie satte Drums und Bässe auf Umses gewohnten laid-back Flow und seine selbstreflektierenden, strukturierten lyrics.
Nach dem Kollabo-Album mit Beatmaker-Legende Nottz und den zuvor erschienenen Alben mit Tag-Team Partner Deckah, kommt hier also ein Projekt um die Ecke, das Umses Schaffen von einer weiteren Seite präsentiert und seine Leidenschaft und seinen Geschmack in voller Gänze abbildet.
Umse konnte sich hier außerdem einen weiteren Traum erfüllen: Mit US-Rapper Masta Ace ist eines seiner Vorbilder und eine seiner größten Inspirationen auf der Platte vertreten.
jedoch von seiner Produktivität abzurücken. Das heißt, vor seinem Album
im Sommer, gibt es einen kleinen "Flammenwerfer" in Form einer 6 Track
EP um das Feld zu bereiten. Das eingespielte Duo, Umse am Mic und
Dekah an den Beats, wird hierbei vom Kölner Produzenten Croup (u.a.
Samy Deluxe) ergänzt, der sowohl 2 Beats selber produziert hat, als sich
auch um den Mix des gesamten Projekts gekümmert hat. "Flammenwerfer"
- ein kleiner Apéritif vor dem kommenden Hauptgang aka Umses Album
Nummer 6!
Der Untergrund-Klassiker von 1997 bekommt nach 20 Jahren endlich eine Neuauflage auf Vinyl.
Hinweis: Gegenüber der Originalversion wurden für die Neuauflage alle Passagen, in denen Savas das "N-Wort" benutzt, gemuted oder gepiept.
Dead Man ist ein Film über die Gedankenwelt einer umherstreifenden Persona non grata die in einer Welt in der der Teufel hinter jeder Ecke lauert nach Erlösung sucht und gleichzeitig demonisch ermutigend aufzeigt was all uns Todgeweihte am Weiterlaufen hält:
Unstillbarer Durst
"Nur noch ein produktiver Morgen im Maschinenland, wo jedes Rädchen Anerkennung leicht verdienen kann. Wo jeder Esel sich als Mensch auf übertrieben tarnt, sich gerade dann für gerade hält, wenn man ihn gut verbiegen kann." ("Maschinenland")
Dead Man erscheint am 22.03.2023 auf Vinyl LP und auch Digital via Sichtexot Records
Hinter ihrem Rücken bewunderte die Competition schon früh ihr Talent, umwerfende Rap-Dramoletten wie 'Jein' zu droppen, um sie sogleich bitter für ihren Un-Ernst beim Einhalten der 'reinen Hip Hop-Lehre' kleinzuquatschen. Elegant im Zick-Zack unter dem Radar dieser prüden Gralshüter fliegend, hielten sich unsere drei Helden stets an die oberste Direktive von Soul-Rebel Swamp Dogg: 'I'm not selling out, I'm selling in!'. Als Reaktion auf die sauertöpfigsten Anfeindungen gelangen ihnen dann mit Protestsongs wie 'Schwule Mädchen' oder Battle Raps wie 'Da Draussen' gleich noch grössere Würfe. Auf einen funky shaker wie 'eManuela' folgte direkt eine ethisch-moralische Selbstkasteiung wie 'An Tagen wie diesen', worauf sie einen tödlichen Bouncer über die wachsende eigene Impotenz im Auge unserer hypersexualisierten Konsumhölle folgen liessen: 'Bettina, zieh dir bitte etwas an'.
Mit wilden Trojanischen Pferden in die Top 3 galoppieren, wer konnte das sonst schon? Fast 30 Jahre dauert nun ihre Hitstory, die Ende 2023 einen konsequenten Abschluss findet. Fettes Brot is history. Hier sind die wichtigsten Artefakte aus ihrer Epoche. Zum ersten Mal auf einem Greatest Hits-Album vereint.
Die Umkehr des Zeitgeists aus dem neunten Kreis der Hölle
Nach Alben mit Torky, Morlockko Plus und MF Saje folgt nun die kompromisslose Konsequenz die den bisherigen Werdegang zum stimmigen Ganzen zusammenführt. Yung Lost ist Vibe um kultivierten Verlust. Der Gegenpol zur zeitgenössischen Raplandschaft aus Kapitalversessenheit, Tiefkühlpizzen und Eistees.
Geschichten vom Scheitern auf Autopilot. Drogenexzesse, verpasste Liebe. Alles rauscht im Schleier technischer, schwebender Dominanz an dir vorbei während auf musikalischer Seite alles was Rang und Namen hat sein XX darunter setzt.
Swoosh Hood, Dexter, Torky, Saje, Wun Two, Fid Mella und foodforthought,produzieren "Yung Lost" zu nicht weniger als der Neuerfindung der produktivsten Instanz die Rap auf deutsch seit nunmehr über einer Dekade bietet: Eloquent. Yung Lost erscheint am 08.04.22 via Sichtexot Records auf Vinyl LP und digital. „Hass mich ruhig, kann versteh'n dass du Angst bekommst“
Aus dieser Neuorientierung entstand »21«.
Sie alle wissen Bescheid. Sie wissen, wie man glücklich lebt, sie wissen, welche Produkte dazu zu kaufen sind, sie wissen, wie man sich korrekt erinnert und politisch zu positionieren hat und wie Musik klingen muss. Sie wissen um die Etikette in den Kommentarspalten der Nation und um ihre Alternativlosigkeit. Sie alle wissen, sie sind reich.
Der Nepumuk weiß, dass „sie“ auch „wir“ sind und dass wir alle einen Scheiß wissen. Er gibt zum Besten, was er für das Beste hält und schießt mit utopischem Funk. Und nachdem er das ohne jegliche lyrische Unterstützung - und bis auf rare Ausnahmen (Hubert Daviz, elo, abstraktomato) - auf knowsum beats getan hat, ist auf einmal alles gar nicht mehr so kompliziert, wie immer alle tun.
Ein majestätisches Gloryhole für die algorithmische Scheuklappe von Heute.
Demnächst als Album und Kurzfilm.
„Wir haben kein Plan B, aber ein Trauma“ erscheint am 03.03.23 via Sichtexot Records. Auch als auf 500stk. limitiertes Bundle mit einem Bonusalbum von Nepumuk und J. Lauxen.
In Zusammenarbeit mit coop erscheint der dazugehörige Kurzfilm am 17.03.23.
Dieser Warenkorb kommt uns allen in die Tüte.
Mix und Master stammen vom begnadeten B-Side, der neben Beats von Soulmade, dédé und L Gonzz auch den Großteil der Produktionen abgeliefert hat. Zu Gast am Mic sind Yustus Malick, Herr König, Milli Dance von Waving The Guns sowie Partner in Rhyme Dennis Real. Die Cuts kommen von DJ Robert Smith.
Die Beats von DJ und Produzent 12Vince sind wie von bisherigen Releases gewohnt dreckiger, samplebasierter Rap-Sound mit einer gehörigen Portion Jazz und Funk, liebevoll ergänzt durch gecuttete Zitate gemeinsam geschätzter Dritter.
Sie alle wissen Bescheid. Sie wissen, wie man glücklich lebt, sie wissen, welche Produkte dazu zu kaufen sind, sie wissen, wie man sich korrekt erinnert und politisch zu positionieren hat und wie Musik klingen muss. Sie wissen um die Etikette in den Kommentarspalten der Nation und um ihre Alternativlosigkeit. Sie alle wissen, sie sind reich.
Der Nepumuk weiß, dass „sie“ auch „wir“ sind und dass wir alle einen Scheiß wissen. Er gibt zum Besten, was er für das Beste hält und schießt mit utopischem Funk. Und nachdem er das ohne jegliche lyrische Unterstützung - und bis auf rare Ausnahmen (Hubert Daviz, elo, abstraktomato) - auf knowsum beats getan hat, ist auf einmal alles gar nicht mehr so kompliziert, wie immer alle tun.
Ein majestätisches Gloryhole für die algorithmische Scheuklappe von Heute.
Demnächst als Album und Kurzfilm.
„Wir haben kein Plan B, aber ein Trauma“ erscheint am 03.03.23 via Sichtexot Records. Auch als auf 500stk. limitiertes Bundle mit einem Bonusalbum von Nepumuk und J. Lauxen.
In Zusammenarbeit mit coop erscheint der dazugehörige Kurzfilm am 17.03.23.
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„6000 Fuß über Bayreuth“: Zehn Tracks, eine Sinuskurve von Auf- und Zusammenbruch. Entstanden in den Wirren des Jahres 2020, ist es das zehnte Album von AzudemSK und der zweite Teil der Versus-Morlockko Plus-Reihe.
Zwei Kulturbeauftragte in einer Zeit des Kulturverfalls, zwischen Deutschtümelei und Nazi-Morden, allgemeiner Verunsicherung und dem großen Sterben im Mittelmeer.
Geschrieben mit gewohnt argwöhnischem Blick und - frei nach Nietzsche - „6000 Fuß“ Abstand auf jene Reiterstandbilder, die säbelrasselnend noch immer ihre Schatten auf die Gegenwart werfen.
Artwork: Bureau Omega
Jetzt exklusiv auf limitierter 7 Inch zusammen im Bundle mit Shirt und dem einzigartigen „Siegelring“-Motiv als modischem Backprint von Pablo Perra. Nur hier! Bestell jetzt und wähl Deine Größe bis zum 28.02.2022 für die maßgeschneideter Morlockk Dilemma-Experience! 7 Inch plus Shirt, limitiert auf 500 Stück. Nur solang der Vorrat reicht!
Ihr neues Album “Mieses Leben” ist das perfekte Beispiel für diesen Ansatz. Die 18 Songs sind aggressiv und artsy, unmittelbar und echt, impulsiv und voller Adrenalin –wie das Ergebnis einer einzigen rauschhaften Aufnahmesession. Her mit dem Beat, und dann gib ihm: Flow um Flow, Ansage um Ansage, atemlos, weil schließlich auch die längste Nacht nicht ewig dauert. Passend dazu erscheint das Album quasi aus dem Nichts, ohne große Ankündigung oder PR-Stunts. Sollen andere ihren Instagram-Fame pflegen und in seichte Shisha-Schlager ummünzen. Sollen andere die US-Hits des letzten Jahres durchhören und nachbauen lassen. Sollen andere sorgfältig ihre Vita schleifen. Haiyti hat das Leben, von dem so viele erzählen, selbst gelebt. Man vergisst ja leicht, wo sie herkommt, wenn man Zuckerschockpopsongs wie “La La Land” oder “Holt mich hier raus” hört. Aber wenn man gesehen hat, was Haiyti gesehen hat, ist vergessen einfach nicht drin.
Das neue Album von Tarek K.I.Z ist eine wilde Achterbahnfahrt, die von den dunklen Nächten und schrecklichen Verletzungen erzählt. Von einem Stiefvater, der nachts nach Hause kommt, um die eigene Mutter zu verprügeln, die zu schwach ist, um ihn zu verlassen, von Menschen, die sich einbilden, den weißen Drachen reiten zu können und dabei Hackfleisch-Klumpen ausrotzen und von kaputten Kindern, die dennoch auf der Suche nach der großen Liebe sind. Das neue Album von Tarek K.I.Z ist eine wilde Nummernrevue, in der sich blutige Allmachtsfantasien realisieren, Schüsse auf den Kanzler gefeuert werden, Gegner mit Handgranaten vernichtet und in Salzsäure aufgelöst werden, der nubische Prinz sich in ein Meer aus hundertfünfzig Leiber fallen lässt und Tarek K.I.Z auch dann noch der Boss ist, wenn das Album gefloppt ist und er nur noch einen Einkaufswagen fährt – denn es kommt nicht auf den Wagen an, sondern wer in fährt.
Es ist nicht so, dass ihm dieses Album leicht von der Hand gegangen wäre. Manchmal fühlte es sich so an, als würde es ihm über den Kopf wachsen. Manchmal fühlte es sich so an, als würde er daran zerbrechen. Manchmal fühlte es sich so an, als würde sich das, was er geschaffen hatte, gegen ihn wenden. Der Golem, den er gezüchtet hatte. Der Klumpen Lehm, dem er durch seine Sprache, seine Ideen, sein Talent und seine Musik erst Leben eingehaucht hatte und der sich nun gegen ihn wendete. Tarek K.I.Z hat gekämpft mit diesem Geschöpf. Er hat sich aufgerieben in diesem Kampf und so manches mal, wollte er sein Werk schon vor der Zeit vernichten. Er wollte aufgeben und hinschmeißen. Zu groß, zu weit, zu überdimensional. Und trotzdem hat er weiter gemacht, denn er hatte es sich immer schon gewünscht. Schon seit er 16 war, wollte er ein eigenes Album herausbringen, obwohl er wusste wie schwer das war. Obwohl er wusste, wie groß das war. Ein Album ganz alleine machen, ohne Crew, ohne seine Freunde. Den Weg ganz alleine gehen, hinab in die Untiefen seiner Persönlichkeit, alles zum Vorschein bringen und in Kunst verwandeln, das war schon immer sein Traum und er wollte sich diesen Traum verwirklichen. Die Dinge, die in ihm lagen, mussten raus. Zersplittert. Ungeordnet. Zerbrochen und doch eins. Mühsam musste er sie wieder zusammen setzen. Weiter, weiter, immer weiter. Nur nicht stehen bleiben. Bald würde er am Ziel sein. Bald würde er es geschafft haben. Bald würde es fertig sein.
Und so entstand Song um Song. Vor und zurück. Zwischen der schwarzen Milch der Frühe und dem Glitzern des Asphalts. Zwischen all der Einsamkeit und dem Baseballschläger mit dem Dir Skinhead Black den Kopf einschlägt.
Und dann biegen wir ein in diesen Park, in dem eine Bank steht und in dem ein junger Mann mit seinem Vater sitzt. Der Vater ist krank. Schwer krank. Es war nicht leicht, diese Bank zu beschreiben, diesen Park und die Kinder, die darin spielten. Es war nicht leicht, davon zu erzählen, dass der Vater bei jedem Konzert seines Jungen da war und wie stolz er auf ihn. Von den Konzerten in besetzten Häusern bis hin zur Wuhlheide und wie er sich dort im strömenden Regen den besten Platz suchte, nur um seinen Sohn noch einmal spielen zu sehen: Ihn und seine Freunde vor ein paar Tausend Leuten. Es war das letzte mal.
Und in diesem Moment ist alles klar. Tarek K.I.Z braucht hier niemandem, irgendetwas zu beweisen. Hier steht einfach nur ein Musiker, allein, verlassen, aufgehoben in seinem Glauben und durch seine Freunde. Ein Mensch, der einfach nicht anders kann, ein Künstler in all seiner Herrlichkeit und Verletzlichkeit, der alles gegeben hat – ein Junge, der alleine in einem Park sitzt, den Kindern beim Spielen zuschaut, den Paaren beim Flirten, den Familien beim Spazierengehen, allein auf einer Bank, auf der sie noch vor einem Jahr zu zweit gesessen hatten. Es ist Tarek, der den Golem erschuf.
„Ich wollte vor allem ein richtig geiles Hip-Hop-Album machen“, sagt Aykut Anhan aka Haftbefehl. „Das weiße und das schwarze Album hatten einen roten Faden, sie gehörten untrennbar zusammen. Das weiße stand für das Licht, den Tag, die Party, das schwarze für die Düsternis und die Abgründe danach. Auf ‚Mainpark Baby‘ wollte ich die Mitte zwischen diesen beiden Extremen ausloten.“
Es geht um die Kinder und Kindeskinder der ersten Einwanderergeneration in jener Offenbacher Siedlung, der das Album seinen Titel verdankt. Unerfüllte Träume spielen eine Rolle bei diesen sogenannten Mainpark-Babys, gescheiterte Lebensentwürfe allerdings eher nicht: Den meisten Leuten in diesen Songs hat das Leben keine Chance gegeben, überhaupt so etwas wie einen Entwurf zu entwickeln.
Mit „Mainpark Baby“ erweist er sich erneut als einer der besten Rapper und scharfsinnigsten, straßenpoetischsten Texter in diesem Land. Ein Dichter der Nacht, der uns mitnimmt in die Straßenschluchten, in die dunklen Keller, die Bars und auf den Strich. Das kommt hier alles weiterhin direkt und ungefiltert aus einem wild schlagenden Künstlerherzen.
Graue Betonschluchten am Stadtrand. Ein sozialer Brennpunkt in den Wirren der Nachwendezeit, der so genannten „Baseballschlägerjahre“. Inmitten dieser Plattenbau-Tristesse finden nicht wenige Heranwachsende Zuflucht im Labyrinth aus VHS-Regalen und verheißungsvollen Kinoplakaten. Die Videothek als ein in Neonschein gehüllter Sehnsuchtsort ist Schauplatz von „Oase“.
Jetzt hat SIDO ein neues Album gemacht. “Paul” heißt es und kommt am 09. Dezember. Es ist das wohl ehrlichste seiner an ehrlichen Momenten gewiss nicht armen Ausnahmekarriere.
Deutscher Hip Hop
Mit der Breakdance-Welle schwappte Anfang der 1980er Jahre auch Rap aus den USA nach Deutschland. Beflügelt von »Wild Style« und »Beat Street« wurde der neue Musikstil erschlossen, bezeichnenderweise jedoch zunächst mit wenig Ernsthaftigkeit gegenüber Form und Inhalt. Denn während z.B. »The Message« die alltäglichen Frustrationen im US-Ghettoalltag besingt, coverte eine Radio-DJ-Truppe um Thomas Gottschalk den Song »Rappers Delight«. Und die Toten Hosen brachten gemeinsam mit Fab 5 Freddy den ersten Rap-Rock-Crossover der Welt heraus: »Hip-Hop-Bommy-Bop«.
Deutschrap – Die Alte Schule
Als neues Lifestyle- und Musik-Phänomen stieß Hip Hop schnell auf Nacheiferer in deutschen Jugendzentren und Jugendzimmern. Gleichwohl mit Spaß, aber deutlich ernsterem Ansatz als die oben genannten, erschloss man ein Terrain, das man lediglich von TV-Bildschirmen und importierten Platten kannte. Erste Szenen bildeten sich, Jams wurden veranstaltet. Dort, so heißt es, war es der Heidelberger MC Torch von der Crew Advanced Chemistry, der erstmals in deutscher Sprache Freestyle-Raps kickte. Weitere prägende Figuren dieser Pioniertage waren, ebenfalls aus Heidelberg, Cora E und die Stieber Twins, Too Strong aus Dortmund sowie die Kölner Gruppen CUS, LSD und Äi-Tiem.
1991 erschien mit »Krauts With Attitude« die erste Compilation mit heimischen Hip Hoppern. Auf Deutsch wurde dort jedoch nur in Ausnahmen gerappt – u.a. von den Fantastischen Vier, die im gleichen Jahr das erste deutschsprachige Rap-Album veröffentlichten. Als eine Art Gegenpol zu den von der Szene kritisch beäugten Stuttgartern formierte sich in Frankfurt das Rödelheim Hartreim Projekt um den Rapper und Producer Moses P. Gleichzeitig wurde mit dem 1992 erschienenen Sampler »Kill The Nation With A Groove«, auf dem bereits die damals noch »absoluten« Beginner vertreten waren, klar, was Rap auf Deutsch auch sein kann: Ein politisches Statement.
Deutschraps Golden Era
Davon jedoch wollte die »Klasse von 95« nichts wissen. Mit einer Platte auf MZEE – dem gleichen Label übrigens wie die Vertreter der »Alten Schule«, deren Szenedogmatismus man hinter sich lassen wollte – bestritt eine neue Generation deutscher Rapper neue Wege. Sie leiteten damit Deutschraps goldene Ära ein: Als Teil der Stuttgarter Kolchose sorgten Die Massiven Töne für hohe Doppelreimdichte im Conscious Rap. Raid firmierte mit Filo Joes als R.A.G,, um klar zu machen, dass der Ruhrpott nicht nur tief nach Kohle schürft. Der Tobi & Das Bo starteten, zum Quartett gewachsen, als Fünf Sterne Deluxe durch. Und Ferris MC von F.A.B. lädt heute bei Deichkind die Stimmungskanone.
Gegen 1997 hat sich deutscher Hip Hop nicht nur aus seiner Nische herausgespielt: Er hat zudem die Möglichkeit aufgezeigt, unverkrampften mit der eigenen Sprache umzugehen. Insofern haben all die Julis, Silbermonds und Jennifer Rostocks Rap aus deutschen Landen viel zu verdanken. Die Beginner, Freundeskreis, Die Firma, Afrob, Blumentopf, Dynamite Deluxe, Eins Zwo, Curse: das waren die Namen der Stunde. Ihre Releases inspirierten zahllose Epigonen, Labels wie Eimsbush, Four Music, Put Da Needle To Da Records waren beispielhaft für den DIY-Ansatz der Szene.
Deutscher Rap geht auf die Straße – und an die Chartspitze
Während Rap auf Deutsch buchstäblich explodierte, brodelte eine Facette der Kunst lange Zeit nur im Underground: Azad, Konkret Finn, Feinkost Paranoia oder Creutzfeld & Jakob kultivierten Battle Rap, ohne große Aufmerksamkeit zu genießen. Per Paukenschlag drang das Subgenre jedoch in den Fokus der Szene: Mit der Single »LMS/Schwule Rapper« etablierte Kool Savas vom Royal Bunker aus die Kunst der geistreichen Beleidigung und setzte gleichzeitig Berlin auf die Deutschrap-Karte. Es dauerte nicht lange, bis Battle Rap der Berliner Schule zur neuen Blaupause des Musikstils wurde. Erheblichen Anteil trugen dazu auch Sido und seine Mitstreiter von Aggro Berlin bei. Und Bushido, der mit seinen Releases Battle Rap öffentlichkeitswirksam auf die Straße holte.
Während sich fortan die Jugendschutzwächter um die expliziten Texte kümmerten, erlangte Straßenrap durch Artists wie Kollegah, Farid Bang oder Massiv umso größere Popularität. Das Underground-Phänomen wurde zum Erfolgsgarant und wird heute von Haftbefehl, SSIO, Xatar oder MoTrip massentauglich bedient. MCs wie Audio 88 & Yassin, Morlockk Dilemma, Hiob oder Sylabil Spil wollen dagegen nicht so recht in gängige Rap-Entwürfe passen. Sie setzen auf düstere Klangwelten, während es parallel wieder chic wurde, sich produktionsästhetisch auf die Wurzeln zu besinnen: Retrogott und Hulk Hodn, Umse, Fatoni und Dexter, die WSP-Clique und die Sichtexot-Gang, sie alle verpassen dem Golden Era-Sound ein zeitgemäßes Update, ohne es an Individualität missen zu lassen. Casper, Cro, K.I.Z., Marteria und Die Orsons zeigen derweil am deutlichsten, was deutscher Rap heute ist: Fester Bestandteil des Pop. Ihr Erfolg ist exemplarisch für die Genese einer musikalischen Gattung.
Deutscher Hip Hop von A bis Z im HHV Online Shop
Egal, ob man Neuheiten und aktuelle Hits feiert oder den Classics nachhängt, egal, ob Battle, Boom Bap oder Backpack, im HHV Online Shop gibt’s Deutschrap in allen Facetten und Formaten: Tape, CD, Vinyl LP, vom Doppelalbum über EPs und Singles bis zu exklusiven Bundles. Word!