K.I.Z. HHV Records 0 Artikel

Sarkastisch, größenwahnsinnig, streitlustig

Im Jahr 2000 gründen Tarek, Nico, Maxim und DJ Craft die Gruppe K.I.Z. Was genau die drei Buchstaben bedeuten – Künstler in Zwangsjacken, Kreuzritter in Zentralasien, Kannibalen in Zivil – das variiert immer wieder. Denn die Hauptsache ist: nach ihren Anfängen in der Reimliga Battle Arena stoßen die rappenden Provokateure zum legendären Untergrundlabel Royal Bunker und mischen mit ihrem ersten Album Das RapDeutschlandKettensägenMassaker 2005 die Szene auf. Sarkastisch, größenwahnsinnig und vor allem streitlustig widersetzen die vier sich jeglicher stilistischen Einordnung im Deutschrap: „Du bist stolz auf dein’n Bezirk / Ich bin stolz auf mein Glied.“ 2006 geht es mit dem Mixtape Böhse Enkelz gewohnt blutig wie absichtlich sexistisch weiter: mittels Samples aus den verschiedensten Richtungen parodieren die Kannibalen in Zivil hier teilweise ganze Tracks, indem sie die Rapklassiker zu ihren Gunsten umschreiben – dabei bleiben weder Torch, die Beginner und Xavier Naidoo, noch Kool Savas und Azad verschont. Neben exklusiven CDs für das Juice-Magazin unterstützt das Quartett die Bloodhound Gang und danach Prinz Pi auf Tour quer durch Deutschland, vom Rock am Ring werden sie im Jahr 2007 dennoch ausgeladen. Der Grund: die Texte seien zu anstößig. Ihr Motto dazu lautet: „Nächstes Jahr Hauptbühne.“

Gewaltfantasien mit einer Prise Gesellschaftskritik

Nach reichlich lyrischer Provokation und ausverkauften Live-Shows zeigt auch Universal sich an den Künstlern in Zwangsjacken interessiert: die Platte Hahnenkampf setzt sich in vertrautem Maß über gesellschaftliche Konventionen hinweg. Da geht es um sozialkritische Themen genauso wie plumpe Kampfansagen: „Rap bleibt ein Hahnenkampf!“ K.I.Z übertreiben den klassischen Gangsta-Rap dabei in einem Ausmaß, das die Tracks in beinahe surreale, immer aber komödiantische Gefilde treibt. Auch Genreoffenheit ist ihnen wichtig: von Anfang an verschreiben sich die Kreuzritter in Zentralasien nicht nur dem Hip-Hop, sondern greifen nach Versatzstücken von Pop, Punk und Techno, während das Albumcover des Major-Debuts eine Referenz zum brutalen Filmklassiker Uhrwerk Orange bildet. Mit Erfolg: die Platte steigt in die Top 10 ein und verschafft dem Quartett landesweite Aufmerksamkeit. Das Cover des Nachfolgers Sexismus Gegen Rechts verbindet hingegen parodiehaft Nazi- mit BDSM-Ästhetik und macht ihrer bereits etablierten Schocker-Attitüde alle Ehre: „K.I.Z – das Coolste seit der Atombombe“. Mit Urlaub fürs Gehirn landen die Jungs 2011 einen Hit mit Ohrwurm-Hook, und der von Electro-Beats durchzogene gleichnamige Langspieler kombiniert in gewohnter Manier sarkastisch überzogene Gewaltfantasien mit einer Prise Gesellschaftskritik. Laut Tarek, Maxim und Nico also ein weiteres Fest für die Fans: „Unsere Fans sind seelenlos und sexuell unterfordert.“

Eine Abrechnung mit der ganzen Welt

Mittels Weltuntergangsszenarien und der verrauchten Stimme von Henning May im Refrain landen die Jungs 2015 mit Hurra die Welt geht unter einen ihrer größten Hits und ihren erfolgreichsten Streaming-Song, das Album mit dem gleichen Titel macht sich in den deutschen wie den Schweizer Charts auf der Eins breit. Dort rechnen sie in höhnischer Weise mit deutschen Rechtskonservativen, ebenso aber mit der ganzen Welt ab, die aus der Perspektive Gottes verspottet wird: „Wo bleibt der Dritte Weltkrieg? Wollt ihr, dass ich einschlafe hier oben?“ Die Platte geht Gold. Nach diesem Erfolg müssen die Klosterschüler im Zölibat erst einmal durchatmen – bald heißt es dann, dass DJ Craft sich von der Crew verabschiedet, um K.I.Z als Trio zurückzulassen. Und dieses leistet neben der Musik auch politische Arbeit: zweimal kandidieren Nico und Maxim für Die PARTEI in Berlin, und als Angela Merkel 2021 ihr Amt ablegt, wird ihr in klassischer K.I.Z-Manier mit einem Song gedankt. Die Platte Rap über Hass führt im gleichen Jahr ihre Legacy fort und sichert sich wieder einmal die Chart-Eins – mit Tracks wie Unterfickt und geistig behindert und Filmriss sorgen die Kannibalen in Zivil damit erneut für garantierte Deutschrap-Hits der modernen Sorte. Irritation sollte dabei niemand persönlich nehmen – Nico meint schließlich: „Ich finde es selber grauenhaft, was wir rappen!“