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Psychedelische Wunder aus Köln

Cans Ursprung liegt eigentlich im Jazz sowie in der klassischen Avantgarde. Das in Köln ansässige Quintett revolutioniert in den 70er Jahren dann allerdings den experimentellen Rock – mit Rhythmen und Arrangements, die schließlich den Krautrock begründen und auf internationaler Ebene Bands wie The Fall und die Red Hot Chili Peppers beeinflussen. Rockmusik funktioniert eben auch jenseits der immergleichen Songstrukturen – als Initiator der Band gilt Irmin Schmidt, der im Anschluss an sein Studium an der Musikhochschule Köln nach New York City reist und die lokale Szene erkundet. Für den Pianisten tut sich ein neuer Horizont auf: zurück in der Kölner Heimat gründet er zusammen mit Holger Czukay, Michael Karoli und Jaki Liebezeit eine Band, die das Experimentelle auskundschaften möchte. Mit Malcolm Mooney am Mikrofon entsteht Ende 1968 ein erstes Album, das im Sinne der Velvet Underground so laut und schräg ausfällt, dass kein Label sich ihm annehmen will – die Aufnahmen erscheinen erst über zehn Jahre später unter dem Namen Delay 1968. Mit Monster Movie wird im Folgejahr ein weiterer Versuch unternommen, teilweise nimmt die Band stundenlange Jamsessions auf und kürzt die Tapes dann auf eine annehmbare Länge – teilweise kommen dabei psychedelische Wunder wie das 20-minütige Yoo Doo Right heraus.

Die impulsiven Krautrock-Pioniere

Allerdings hat Sänger Mooney zu dieser Zeit mit der eigenen Psyche zu kämpfen: der Amerikaner kehrt in die USA zurück und wird durch den Straßenmusiker Damo Suzuki ersetzt. Dieser kommt aus Japan, und Liebezeit und Czukay laden ihn nach einer spontanen Begegnung in Köln ein, noch am gleichen Abend mit ihnen live zu spielen. Die Chemie stimmt – Suzuki tritt der Band bei, seine Texte sind meistens frei assoziiert, auf Japanisch und Deutsch. Mit Soundtracks kompilieren Can mehrere Tracks, die sie zu Filmen beigesteuert haben, und Suzukis mal zurückhaltende, mal impulsive Gesangsparts vervollständigen den Sound, der die Band in den nächsten Jahren bekannt macht. Mit meisterhaften Platten wie Tago Mago, Ege Bamyasi und Future Days schreibt das verquere Quintett in den 70er Jahren Krautrock-Geschichte. Hier treffen ausgiebige Garage-Jams auf psychedelische Funk-Elemente, auch Jazz-Anleihen tauchen immer wieder auf. Mit verschiedenen Hitsingles wie Spoon, Vitamin C und Moonshake schlagen Can über die Jahre auch im deutschen Mainstream Wellen – dass sie Popelemente problemlos mit dem Psychedelischen verbinden können, bleibt dabei außer Frage. 1973 verlässt Suzuki dann schließlich die Band, um sich anderem als der Musik zuzuwenden. Anstatt einen Ersatz am Mikrofon zu suchen, fokussieren Can sich jetzt eher auf instrumentale Aspekte – und landen mit I Want More sogar einen Hit in Großbritannien.

Disco-Töne und binaurale Platten

Auf der Suche nach immer neuen Innovationen probiert die Gruppe sich auf Soon Over Babaluma in Sachen Ambient Rock, während auf Flow Motion im Jahr 1976 Disco-Töne angeschlagen werden. Doch auch die wachsenden technischen Möglichkeiten im Aufnahmestudio machen die Krautrock-Pioniere sich zunutze: die Platte Saw Delight wird beispielsweise binaural aufgenommen – und klingt so, als sitze der Zuhörer im selben Raum wie die Band. Noch vor dem Erscheinen ihrer selbstbetitelten Platte erklärt sich Can für aufgelöst – ganze zehn Jahre dauert es, bis ein weiteres, letztes Album erscheint. Rite Time überrascht mit der erneuten Präsenz ihres ursprünglichen Sängers Malcolm Mooney, der die Songs in ein zeitloses Gewand hüllt. Und obwohl Can nie den großen internationalen Durchbruch geschafft haben, ragt ihr Einfluss noch heute in die verschiedensten Genres und Spielarten – Künstler wie Brian Eno, Radiohead und The Jesus and Mary Chain haben sich zum Einfluss der deutschen Band bekannt. Ihre impulsive Energie spielt dabei eine Schlüsselrolle, meint Irmin Schmidt: „Diese Spontanität lag damals in der Luft. Diese Kraft, aus dem Nichts irgendwelchen Irrsinn zu machen.“ Einen Irrsinn, der die Jahrzehnte überdauert hat.