Chemical Brothers HHV Records 19 Artikel

Die neuen Trendsetter des Big Beat

Die Chemical Brothers gründen sich im Manchester der späten 80er Jahre mit der Mission, elektronische Musik neu zu definieren. „The brothers gonna work it out“ – in den 90er Jahren trägt das Duo aus Ed Simons und Tom Rowlands maßgeblich dazu bei, den Big Beat weltweit bekannt zu machen und nach der Acid-House-Bewegung einen neuen Trend in den Clubs zu setzen. Die beiden Sample-Fanatiker lernen sich 1989 beim Studieren in Manchester kennen, und beide begeistern sich für das Nachtleben um den legendären Haçienda-Club. Und weil sie große Fans des Produzententeams The Dust Brothers sind, welches unter anderem mit den Beastie Boys gearbeitet hat, nennen sich Ed und Tom ohne Umwege einfach genauso – als sie später dann wider Erwarten mit ersten DJ-Gigs und 12“-Platten doch überregional Wellen schlagen, entscheiden sie sich für die Umbenennung in The Chemical Brothers, um jedwede Verwirrung zu vermeiden. Mit Singles wie Song To The Siren lebt das Duo seine Breakbeat-Herkunft aus, und eine Remix-EP später legen Ed und Tom im Jahr 1994 regelmäßig im Londoner Heavenly Sunday Social Club auf. Irgendwo zwischen Hip-Hop-Beats, obskuren Soundschnipseln und den tiefsten Bässen, die mit den Subwoofern im Club noch möglich sind, definieren die Chemical Brothers den Big Beat und manifestieren ihren internationalen Erfolg 1995 mit dem Debutlangspieler Exit Planet Dust.

Breakbeats und Retro-Synthesizer

Nach ihrer ersten Welttournee stoßen die Chemical Brothers zu Virgin Records und landen 1996 ihren ersten Nummer-Eins-Hit in Großbritannien – auf dem hypnotisch-chaotischen Setting Sun übernimmt nämlich kein Geringerer als Oasis-Legende Noel Gallagher den Gesangspart. Für ihre zweite Nummer Eins, den irgendwo zwischen Psychedelia, Hip-Hop und Funk liegenden Wahnsinn namens Block Rockin‘ Beats, gibt es kurz später sogar einen Grammy Award. Der zweite Langspieler Dig Your Own Hole zieht dann sogar die echten Dust Brothers in den Bann, die jetzt mit den Chemical Brothers arbeiten wollen. Konstantes Touren ist die Folge ihres massiven Aufstiegs im Electronic-Kosmos, auf Brothers Gonna Work It Out veröffentlichen sie 1998 einen ihrer DJ-Mixe, und mit Platten wie Surrender im Jahr 1999 und Come With Us im Jahr 2002 erweitern die beiden nicht nur ihren Kollaborations-Horizont durch Gastparts von Bernard Sumner (New Order), Bobby Gillespie (Primal Screams) und Richard Ashcroft (The Verve), sondern landen auch Headliner-Slots bei Festivals wie Woodstock ’99 und Glastonbury. Außerdem sind ihre Tracks jetzt prominent in Filmen wie Lara Croft: Tomb Raider oder Games wie Project Gotham Racing zu hören, wo sie die Breakbeats gegen Retro-Synthesizer austauschen und die jeher treibenden Bässe durch verträumte Melodien ersetzen.

Immer mit Liebe zur Melodie

Die Live-Shows des Genre-definierenden Duos werden für ihre Fans zum kollektiven wie persönlichen Erlebnis: „Es ist eine intensive Erfahrung, bei der man sich selbst sehr nahe kommt – aber zusammen mit ganz vielen anderen Leuten“, meint Ed. „Man könnte von einem kontrollierten Extremismus sprechen“ – Hitsongs wie der mit Q-Tip gemeinsam produzierte Track Galvanize im Jahr 2005 bestätigen diese These. Denn seit ihrem Durchbruch in den 90er Jahren haben die Chemical Brothers sich niemals einer Formel verschrieben: ihre Platten Push The Button, Brotherhood und Born In The Echoes balancieren zwischen Disco-Beats und Techno, immer mit Liebe zur Melodie und mittels jener drängenden Energie, die Tom und Ed seit ihren ersten Tagen innehaben. Mit No Geography im Jahr 2019 räumen sie gleich drei Grammy Awards ab, und auf For That Beautiful Feeling im Jahr 2023 gastieren wie gewohnt Kollegen wie Noel Gallagher, Aurora und Beck. Nach zwanzig Jahren Bandgeschichte versprüht ihre neue Platte dabei noch immer eine junge Euphorie, die nach Raves und verschwitzten Clubnächten klingt. Ihrem Ursprung als DJs bleiben sie ebenso treu: „Wir machen das, weil wir den Leuten ein wirklich einzigartiges Erlebnis liefern wollen, ein psychedelisches Erlebnis.“