Digable Planets HHV Records 5 Artikel

Jazz-Rap aus Brooklyn

Mit nur zwei einschlägigen Platten setzt das Trio Digable Planets Mitte der 90er Jahre neue Standards in der Fusion von Hip-Hop und Jazz. Dass die Sample-Beats der Goldenen Jahre sich mit den Aufnahmen von rauen Bläsern, wandernden Basslines und groovigen Keyboards auf explosive Weise mischen lassen, wird zur Zeit der Bandgründung Anfang der 90er langsam klar und bringt bereits Jazz-Rap-Wunder wie A Tribe Called Quest hervor – und die Digable Planets wollen das Ganze auf eine neue Ebene heben. In Massachusetts treffen Ishmael Butler und Mariana Vieira aufeinander, in Washington wird die Crew dann um Craig Irving ergänzt – als Rapper nimmt das Trio die Namen Butterfly, Ladybug Mecca und Doodlebug an, und erste gemeinsame Tapes entstehen. Das Label Pendulum Records, später auch die Heimat der Boogiemonsters, gibt den Digable Planets im Jahr 1992 eine Chance für ihre erste Single, und die drei ziehen für ihre Karriere ins Hip-Hop-schwere Brooklyn: auf ihrem Debuttrack Rebirth Of Slick (Cool Like Dat) schaffen sie ein basslastig-zurückgelehntes Statement, und mittels einem direktem Flow navigieren sie sich über einen selten coolen Jazz-Beat, der sie umgehend in die Top 20 der Charts katapultiert – eine Gold-Auszeichnung sowie ein Grammy Award folgen nur kurz später. So simpel das Konzept, so schnell sind die Digable Planets in aller Munde.

DJs und Jazzbands

Der erste Langspieler folgt 1993 und heißt Reachin‘ (A New Refutation of Time and Space). Das künstlerische Potential der Alternative-Rap-Gruppe wird damit nicht nur in Hip-Hop-Kreisen, sondern auch popkulturell-übergreifend aus allen Richtungen erkannt: Butterfly, Ladybug und Doodlebug sprechen eben nicht nur die gängige Gangstersprache, sondern versuchen, der Jazz-Tradition treu zu bleiben und eine neue Weise des musikalischen Ausdrucks zu finden: „Rap is not by bandits“. Die Konzerte sind daher ebenso untypisch für das Genre, denn die Digable Planets holen sich neben einem DJ auch Bläser und Schlagzeuger auf die Bühne – die groovigen Samples ihrer Aufnahmen sind keine Fassade. Ladybug Mecca als Frau in der Gruppe ist dabei ebenso rar wie federführend in einer Rapwelt, die in den 90ern kaum Frauen am Mic kennt – Mariana behauptet sich und bildet dabei die perfekte Mitte des Trios. Zugleich zeigen die drei auf Where I’m From, dass die Frage nach der Herkunft genauso komplex wie unnötig ist, verweisen auf ihre eigene Art des Chillens mit Pacifics und denken über das Konzept Zeit nach: „It’s all relative, time is unreal“. Das Album wird gefeiert wie kaum ein anderes der Alternative-Sorte.

Die Revolutionäre des Alternative Rap

Der Nachfolger Blowout Comb bringt ein Jahr später deutliche Veränderung in Sachen Stil mit sich: von der Umbenennung der Crewmitglieder bis hin zur teils ungewohnten und düsteren Klangfarbe der Platte – die Digable Planets entwickeln die Ambition, Brooklyn in all seinen Facetten einzufangen, und auch äußern sie sich deutlich politischer als zuvor, indem sie Ideen der Black Panther Party in ihre Lyrics einweben. Die neue mutige Richtung der Jazz-Rap-Pioniere kostet sie Verkaufszahlen und Reichweite, für die Fans schlägt Blowout Comb allerdings musikalisch wie lyrisch nie dagewesene Töne an und revolutioniert den alternativen Hip-Hop als Ganzes. „Wir haben uns bemüht, mehr wörtlich und weniger abstrakt zu sein“ – meint Butler zu der Platte, die sich mit der afroamerikanischen Lebensrealität in New York befasst. 1995 löst die Crew sich dann auf – die Fans müssen sich ganze zehn Jahre bis zu ihrer Reunion gedulden. Doch die erneute Zusammenkunft der drei nach etlichen Solo- und Nebenprojekten bedeutet neue weltweite Konzerte mit dem Cosmic Funk Orchestra – wer braucht schon DJs, wenn es Livebands gibt? „Ich kann nicht glauben, dass die Leute immer noch darüber reden“, meint Doodlebug zu den alten und neuen Fans, die Tickets für die Digable Planets kaufen. „Die Zeit ist wie im Flug vergangen, und die Menschen entdecken die Musik immer noch jeden Tag neu.“