Non Phixion HHV Records 4 Artikel

Die verschrobene Alternative zum friedlichen Leben

Die 1995 in Brooklyn gegründete Rapcrew Non Phixion hat es von Anfang an darauf abgesehen, den Untergrund umzukrempeln. Zeitlebens knapp am Mainstream vorbeigeglitten trifft die Hardcore-Gruppe die East-Coast-Szene Anfang der 2000er mitten ins Herz – das liegt vor allem an dem massiven Talent, das jedes der Member mitbringt: seien es kompromisslos raue Flows, ungeschlagen grotesk-witzige Lyrics oder das Gespür für filmreife und unkonventionelle Beat-Samples. Auf nur einem einzigen 2002 veröffentlichten Album vereint die vom Untergrund-Wellenschläger MC Serch begleitete Gruppe ihre Vielzahl an lyrischen und produktionstechnischen Skills und bringt einen Hardcore-Klassiker heraus, der sich von Anfang an als verschrobene Alternative zum friedlichen Leben definiert: „Even a priest can fall in love with evil.“ Die Anfang des Jahrtausends heiß erwartete Platte The Future Is Now nimmt Anlauf mit treibenden Beats, die vornehmlich aus dem Hause Necro und Large Professor stammen und von den Stimmen des Trios Ill Bill, Goretex und Sabac Red getragen werden: der Brooklyn-Sound verkauft sich tatsächlich international und bringt die Jungs auf Bühnen im Ausland. Daneben sind sogar Größen wie MF DOOM, die Native-Tongues-Member The Beatnuts und sogar Deftones Gitarrist Stephen Carpenter auf dem Debut zu Gast und versigeln die Platte endgültig zu einer Schatztruhe des Oldschool-Untergrunds.

Eine Historie am Major vorbei

Das Ganze beginnt 1995 mit ebendiesen drei Rappern, die ebenso Plattenversteher DJ Eclipse und Producer wie gelegentlichen Rapper Necro mit ins Boot holen, um unter der Mentorschaft von MC Serch eine Crew zusammenzustellen. Serch hatte nicht zuletzt durch seine eigene Gruppe Aufmerksamkeit erregt: mit 3rd Bass sah die Hip Hop Welt einen der ersten erfolgreichen Acts, der schwarze neben weißen MCs zählte. Mit einem Mentor also, der die Ausdehnung von Grenzen durchaus zu schätzen weiß, verkaufen die fünf mit der ersten Single Legacy bereits 25.000 Stück und kommen ins Gespräch mit dem Major Geffen Records, bei dem auch schon Kollegen vom Wu-Tang-Clan ihr Zuhause gefunden haben – Non Phixion aber feiern hier keinen Erfolg. Es beginnt eine Historie der knapp verpassten Möglichkeiten, die kollektiven Hoffnungen auf einen Weg an die breite Öffentlichkeit zur Realität zu machen: trotz Support-Slots für hochrangige Player wie Rage Against the Machine, die Beastie Boys und Cypress Hill Ende der 90er Jahre gleiten die fünf knapp an einem Vertrag mit dem Indie-Label Matador vorbei, und sogar das Interesse von Producer-Legende Rick Rubin führt zu nichts. Den Langspieler The Future Is Now muss die Crew dann auf eigene Faust pressen lassen, wobei sie jedoch für ihre internationalen Verkaufszahlen Respekt einheimst.

Die Beinahe-Könige des Horrorcore

Ein Album wie The Future Is Now wird es nie wieder geben. Das stellt die Gruppe schon 2006 klar – da sind die Member aber längst in andere Projekte verwickelt. Allen voran stellt Ill Bill sein Solodebut What’s Wrong With Bill? im Jahr 2004 auf die Beine und bleibt darauf seinem rauen Straßenstil treu, der den Appetit der Non-Phixion-Fans zumindest für einige Zeit stillen dürfte – mit seiner neuen Crew La Coka Nostra holt er sich später sogar Feature-Gast Snoop Dogg auf einen Track. Bis heute ist es kaum übertrieben, ihn im Angesicht der Masse seiner Releases als kreativen Workaholic zu bezeichnen – und dabei einen, der sich treu geblieben ist. In ähnlicher Weise treibt es seinen Bruder Necro an, der mit jedem seiner schaurigen Releases weiter in der Horrorcore-Nische aufgeht und auch keinen Hehl aus seinem Death Metal Einfluss macht. Eine Reunion kündigen die Beinahe-Könige des Horrorcore dann aber doch an: 2015 treten sie endlich wieder in alter Konstellation auf, 2020 sind sie auf Ill Bills Platte LA BELLA MEDUSA gemeinsam zu hören – zwar nicht auf Albumlänge, aber lang genug, um ihre gealterten Fans wieder hoffnungsvoll zu stimmen.