The National HHV Records 19 Artikel

Die zurückhaltenden Rocker aus Ohio

Im Zuge des lautstarken Garage Rock Revivals zu Beginn des 21. Jahrhunderts hebt sich die fünfköpfige Ohio-stämmige Band The National ausgerechnet durch ihre charmante Zurückhaltung aus. Inspiriert von den Kalifornischen Rockern bei Pavement finden sich Matt, Aaron, Bryce, Brian und Scott nach einem frühen erfolglosen Bandprojekt im Jahr 1999 zusammen und nehmen ihre erste Platte auf, die zwei Jahre später auf dem teils selbstgegründeten Indie-Label Brassland erscheint und Songs in feinster Country- und Americana-Manier serviert. Ihr Bandname dient den fünf dabei als eine Leinwand, die durch Texte mit Bedeutung gefüllt wird: „Wir haben versucht, einen Namen zu finden, der keine Bedeutung hat. Der keine Interpretation zuließ und nicht zu clever war“, so Leadsänger Matt Berninger. Genauso simpel hält die Band sich mit der Instrumentierung, beruft sich hauptsächlich auf Gitarren und ausdrucksstarke Lyrics. Noch mehr Aufmerksamkeit als mit dem Debut generieren The National 2003 mit dem Nachfolger Sad Songs for Dirty Lovers, dessen Storytelling an Größen wie Lou Reed und Nick Cave erinnert: der zurückgelehnte Chamber Pop mit Streichereinlagen funktioniert vor allem auf Albumlänge und katapultiert die Band auf den internationalen Markt – das Londoner Uncut-Magazin krönt die Platte schließlich zum Album des Jahres.

Das Unfassbare begreifen

Als Neulinge auf dem Beggars Banquet Label bringen The National 2005 Alligator heraus – die Post-Punk-inspirierten Tracks verschaffen dem Quintett aus Ohio etliche Festivalauftritte und international ausverkaufte Hallen, und mit dem nachfolgenden Album Boxer können sich die Country-Enthusiasten im Jahr 2007 endgültig als ganz große Spieler im weltweiten Indie-Kosmos beweisen. Die Formel für den Erfolg der Band ist seit ihrem Debut bekannt, und trotzdem liefern The National in gewohnter Weise massentauglichen Indie-Rock, der ins Herz geht und sich lyrisch an düstere Themen herantraut: „Man wagt sich an die unheimlichsten Dinge und entschärft sie so. Künstler machen Kunst, weil sie versuchen, etwas zu begreifen, das in einer anderen Form zu schwer zu begreifen ist.“ Matt Berningers Gesang erscheint dabei immer reserviert, nie aber emotionslos, während der Rest der Band die Worte in verträumte Soundlandschaften bettet. Auf dem legendären Label 4AD bringen sie drei Jahre später High Violet heraus und laden dafür Gäste wie Sufjan Stevens, Richard Reed Perry von Arcade Fire und Justin Vernon von Bon Iver ins Studio ein – das Ganze fällt wie immer nostalgisch und hymnisch aus.

Ein Funke, der nicht erlischt

Auch Trouble Will Find Me im Jahr 2013 enttäuscht die Fans nicht. Denn die Band schafft es mit jedem Album, sich thematisch, aber auch in Sachen Melodien und Dramaturgie zu steigern – ihr mittlerweile enormer Erfolg ist ihrer pausenlosen Arbeit an neuen Songs zu verdanken. Es ist dabei fast zu vermuten, dass Berninger sich selbst beschreibt, wenn er singt: „I have only two emotions / Careful fear and dead devotion“ – die Platte wird für einen Grammy Award nominiert. Der Tour-Dokufilm Mistaken for Strangers kommt im gleichen Jahr in die Kinos, und ebenso spielt die Band zum ersten Mal bei Saturday Night Live. Mit den Platten Sleep Well Beast und I Am Easy to Find bauen die Amerikanischen Nostalgiker diesen Erfolg noch weiter aus, wobei ersteres ihnen gleichzeitig einen Grammy Award und ihren ersten Nummer-Eins-Hit in den USA verschafft. Kollaborationen mit Taylor Swift und Phoebe Bridgers schaffen es dabei auf die Alben First Two Pages of Frankenstein sowie das Überraschungsalbum Laugh Track im Jahr 2023. Aber auch politisch äußern sich The National, als sie Barack Obama bei seiner US-Präsidentschaftskandidatur unterstützen und 2016 ein Konzert für Hillary Clinton spielen. Und nach über 20 Jahren Bandgeschichte haben die fünf auch im Studio noch immer denselben Schaffungsdrang: „Der Funke in der Band ist nicht erloschen“, so Multiinstrumentalist Aaron. Ein wahrer Segen für die Fans.