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Außenseiter-Hymnen für eine isolierte Generation

Wir schreiben das Jahr 2000: die Nu- Metal Szene erreicht ihren Höhepunkt im Mainstream, Teenager ziehen sich massenweise Korn und Limp Bizkit auf die MP3-Player, und MTV gilt in der Musikwelt als Erfolgsversprechen für Newcomer. In genau diese Welt platzt die Crossover-Gruppe Linkin Park mit ihrem Debutalbum Hybrid Theory hinein und reißt binnen kürzester Zeit die Nu-Metal-Krone an sich: mit Tracks wie One Step Closer und In the End schreibt die Kalifornische Band um Frontsänger Chester Bennington und Rap-Gitarristen Mike Shinoda Außenseiter-Hymnen für eine Generation, die sich zwischen immer neuen technologischen Fortschritten auch einer fortschreitenden Isolation ausgesetzt sieht – die Wut in Linkin Parks Tracks treffen die Masse, und die US-Musiker steigen zu Weltstars auf. Mit den richtigen Songs zur richtigen Zeit: dem nach dem nationalbekannten Lincoln Park benannten Quintett gelingt mit seinen aggressiv-melodiösen Tracks über Einsamkeit und psychische Heilungsprozesse genau das. Dabei finden sich auch auf der zweiten Platte Meteora düstere Gitarrenriffs neben kratzenden Schreigesängen und Rap-Parts wieder, und jenseits zahlreicher Auszeichnungen schaffen Linkin Park es mit den Verkaufszahlen bereits in die Bestenlisten des neuen Jahrhunderts. Während sie also im Studio wie „Studenten im College“ herumexperimentieren, so beschreibt es Chester Bennington, prägt die Band ganz nebenbei eine ganze Generation an Jugendlichen.

Jugendlicher Zorn und neue Perspektiven

Nach dem gefeierten Remixalbum Reanimation folgt mit der EP Collision Course im Jahr 2005 das nächste Kollabo-Projekt, auf dem kein Geringerer als Jay-Z über scheppernde Linkin-Park-Beats flowt. Nach der individuellen Arbeit an Nebenprojekten widmet sich die Band dann im Jahr 2007 wieder einem Album, dieses Mal gemeinsam mit Producer-Legende Rick Rubin, und vollzieht eine langsame Genre-Wende – der Nu-Metal-Hype neigt sich schließlich dem Ende, und mit Minutes to Midnight kommt die Gruppe dieser Entwicklung nach: ohne ihren Signature-Sound zu opfern, sitzen hier plötzlich Punk und reduzierte Rock Elemente nebeneinander. Dabei klingen sie jetzt erwachsener, jugendlicher Zorn verwandelt sich in neue Perspektiven – der Stilwechsel gebietet ihrer weltweiten Relevanz jedenfalls kaum Einhalt. Zwischenzeitlich landen sie mit ihrem Transformers-Song New Divide einen weiteren Hit, bevor sie 2010 wieder Rick Rubin ins Studio rufen, um mit A Thousand Suns ein von der Auswirkung der Atomwaffen handelndes Konzeptalbum aufzunehmen. Die Band ist also an einem Punkt angekommen, an dem sie ihrem massiven Erfolg sei Dank die Freiheit des Experimentes genießt – und so wird die neue Platte zu einem Art-Rock-Werk, das Ambient-Tracks genauso wie sägende Gitarrenklänge unter einem Dach haust: es geht kaum mehr um Hitsongs, sondern um das große Ganze. Was nicht heißt, dass Linkin Park keine Dauergäste in den internationalen Charts sind.

Die Zukunft wird geschehen

Neben einer eigenen App und der massenhaften Mobilisierung der eigenen Fanbase in den sozialen Medien probiert die Gruppe sich auf LIVING THINGS weiterhin an einer Mischung aus Alternative-Gitarren und elektronischen Texturen. Alle 18 Monate soll es jetzt eine neue Platte geben, so Chester Bennington: weniger Touren, mehr Musik – kreative Energie und Ideen gäbe es sowieso reichlich. Auch fährt der Frontsänger ab jetzt für einige Zeit zweigleisig, wenn er ebenso für seine Grunge-Kollegen bei den Stone Temple Pilots auf der Bühne steht. The Hunting Party zeigt die Band 2014 wieder in alter Form: laut und hungrig, dafür aber Thrash-geladener als zuvor. Das geht sogar so weit, dass ihr Drummer Rob Bourdon ins Fitnessstudio gehen muss, um mit dem neuen Rhythmus der Band mitzuhalten. Zu einem Halt kommt sie 2017, kurz nach dem Release ihres Albums One More Light, als Bennington tragisch verstirbt. Bei einem Benefizkonzert in Ehren ihrer Frontstimme laden die verbleibenden Mitglieder Freunde wie Blink-182, Bring Me The Horizon, One OK Rock und Korn ein, wie es aber weitergeht, ist seither kaum in Aussicht. „Es geht mir nicht darum, die Zukunft vorherzusagen. Die Zukunft wird geschehen“, so Shinoda.